Bürgerbeteiligung - aber richtig!
Alles Lebendige unterliegt dem Wandel der Zeit und passt sich seiner Umgebung an.
Demokratie hat viele Gesichter. Manche mit Schleier, hinter dem sich eine Fratze verbirgt, manche haben ein blaues Auge von der Auseinandersetzung mit Despoten, manche Gesichter der Demokratie lassen die Enttäuschung ahnen, weil Chancen nicht wahrgenommen wurden, manche mit einem sehnsuchtsvollen Blick, dem die Hoffnung auf bessere Zeiten anzusehen ist und manche mit einem Lächeln, welches die Bürger zum Mitmachen anregt.
Unser Bürgermeister Max Eichstetter möchte Füssen zu einer Bürgerkommune machen. Regelmäßig werden Bürger zum gemeinsamen Austausch bei Kaffee und Kuchen angeregt oder es werden Beteiligungsformate angeboten. Leider bleibt der Erfolg weit hinter den Erwartungen zurück.
Woran mag das liegen? Haben die Bürger kein Vertrauen mehr in Bürgerbeteiligungsformate, weil die Bemühungen der Füssener bei einer Beteiligung zur Zukunftsplanung nicht berücksichtigt wurden? Oder vertrauen Füssens Bürger der Verwaltung die Kompetenz nicht zu, ein Beteiligungsverfahren durchzuführen? Sprechen sie gar dem Bürgermeister und dem Stadtrat die Kompetenz ab, ein ehrliches Beteiligungsverfahren nicht durchführen zu wollen?
Arnsteins Leiter der Bürgerbeteiligung:
1. Manipulation
Um den Anschein von „Bürgerbeteiligung“ zu erwecken, werden Menschen in beratende Ausschüsse berufen oder zu Diskussionsforen eingeladen, um sie zu „erziehen“ oder ihre Unterstützung zu gewinnen. Diese Sprosse der Leiter ist keine echte Bürgerbeteiligung, sondern lediglich Teil einer PR-Kampagne der Machthaber. Ein Treffen oder eine Veranstaltung ist dadurch gekennzeichnet, dass Beamte die Bürger aufklären, überzeugen und beraten, nicht umgekehrt. Die kontroversen Informationen werden den Bürgern vorenthalten und stattdessen wird ein rosiges Bild gezeichnet, um sie zu manipulieren und ihre Unterstützung zu gewinnen.
2. Therapie
Diese Form der Nichtbeteiligung kann auch die unterste Sprosse der Leiter sein. Die Machthaber gehen in diesem Fall davon aus, dass Machtlosigkeit gleichbedeutend mit einer Geisteskrankheit ist. Der Bürger, der eine andere Meinung hat, ist dumm. Diese Form der „Partizipation“ verwickelt die Bürger in umfangreiche Aktivitäten, die darauf abzielen, ihnen klarzumachen, dass ihre Einwände idiotisch und unberechtigt sind. Die Bürokraten, Ingenieure, Beamten oder Politiker sind arrogant und haben eine Verachtung für die Machtlosen. Das heimtückische Verfahren ist darauf ausgelegt, die Opposition zu zermürben.
3. Informieren
Das Informieren der Bürger ist ein wichtiger erster Schritt zu einer legitimen Bürgerbeteiligung. Ohne zu wissen, welche Rechte, Pflichten und Möglichkeiten ein Bürger hat, kann er oder sie sich nicht beteiligen. Ohne Zugang zu Informationen über ein Projekt oder ein Programm kann ein Bürger es nicht verstehen und kann nicht einmal anfangen, mögliche Schwachstellen darin finden. Machtinhaber können die Beteiligung an weiteren Sprossen der Bürgerbeteiligungsleiter verhindern, wenn sie eine Informationshierarchie einführen. Wenn nicht alle Informationen zur Verfügung gestellt werden oder die Informationen erst in einem späten Stadium der Planung bereitgestellt werden, sind die Möglichkeiten der Bürger, den Prozess zu beeinflussen, begrenzt. Es können die Machthaber auch eine Informationshierarchie einführen, indem sie ein Konvolut von Tausenden von Seiten an Details zur Verfügung stellen und den Bürgern mit Information überschwemmen und so unangenehme Informationen darin verstecken oder durch legalistische oder technischen Fachjargon verschleiern. Arnstein stellt fest, dass „zu häufig der Schwerpunkt auf einem einseitigen Informationsfluss von Beamten zu Bürgern liegt, ohne dass ein Kanal für Rückmeldungen vorgesehen ist und ohne die Möglichkeit zur Verhandlung“.
Alle Stufenbeschreibungen sind unter dem Link zu finden: https://www.steinbach.wien/2022/arnsteins-leiter-der-burgerbeteiligung/
Wie war die Beteiligung in den anderen fünf Kommunen, in denen unter gleichen Voraussetzungen eine Beteiligung zur Demografie-festen Kommune durchgeführt wurde? - An den Dienstleistern kann es nicht liegen. In Roßhaupten, Rieden und Halblech haben sich in jeder Gemeinde 30 bis 40 Einwohner beteiligt. - Roßhaupten hat 2.250 Einwohner. Drei Bürger haben auf dieser Plattform drei konkrete Vorschläge gemacht.- Halblech hat 3.600 Einwohner. Vier Bürger haben auf dieser Plattform vier konkrete Vorschläge gemacht.- Rieden hat 1.385 Einwohner. Fünf Bürger haben auf dieser Plattform fünf konkrete Vorschläge gemacht.
Was müssen Füssens Bürgermeister, Stadtrat und Verwaltung tun, um die Bürger zur Beteiligung zu motivieren?
1. Bevor ein Bürgerbeteiligungsverfahren in Füssen gestartet wird, muss das Interesse in allen Bevölkerungsschichten abgefragt werden. Neben einem persönlichen Anschreiben an alle Bürger muss eine leicht zugängliche und übersichtliche Plattform in Internet eingerichtet werden, die auch mit einem QR-Code erreichbar ist.
2. alle lokalen und regionalen Medien berichten mindestens einmal im Monat über die Fortschritte der Planung, dem angestrebten Ziel und dem Stand der Vorbereitung.
3. Aus ALLEN Sozialgruppen in Füssen werden Personen als Multiplikatoren für eine Steuerungsgruppe eingeladen.
4. Gemeinsam werden verbindliche Leitlinien für Bürgerbeteiligung von Bürgern, Steuerungsgruppe und Multiplikatoren erarbeitet. Die Leitlinien müssen nur einmal erarbeitet werden. Sie gelten für alle zukünftigen Beteiligungsverfahren. Nach jedem Beteiligungsverfahren könne die Leitlinien angepasst werden, um zukünftige Beteiligungsprozesse zu optimieren.
5. Nach ca. ein bis zwei Jahren der lokalen Vorbereitung und Planung werden von der Steuerungsgruppe (nicht von der Verwaltung!) passende Dienstleister eingeladen, die ihr Konzept vorstellen.
6. Alle Vorbereitungen und Planungen werden ausschließlich von ehrenamtlichen Bürgern erarbeitet. Bürgermeister, Verwaltung und Stadtrat oder Vertreter des Landratsamtes werden lediglich zu einzelnen Phasen als Berater hinzugezogen, um die Bürgerexpertise zu ergänzen.
All dieses ist eine Grundvoraussetzung für eine gelingende Bürgerbeteiligung zu einem so wichtigen Thema wie "Demografiefeste Kommune" - Es klingt nach sehr viel Arbeit. Aber unsere Zukunft sollte uns zum Wohle unserer Kinder und Enkel dieser Aufwand wert sein.