Verkehr ohne Ziele und Nähe
Nahverkehr
Für den Bereich des öffentlichen Nahverkehrs ist nicht erkennbar, dass der demografische Wandel in der Stadt, auf den Dörfern und deren Erreichbarkeit thematisiert wird, geschweige denn das nach Lösungen gesucht wird.
Weder hat die Stadt bislang Initiativen ergriffen, die sich an Modellen des Carsharing orientieren, noch gibt es Initiativen, die ein attraktives Rufbussystem initiieren. Genauso wenig sind so einfache Dinge wie eine Mitfahrerbank eingerichtet worden.
Wenn die Stadt behauptet, ein Mittelzentrum zu sein bzw. die Funktion eines Mittelzentrums wahrnehmen zu können, so ist ihre Erreichbarkeit von zentraler Bedeutung. Die Erreichbarkeit sollte nicht gekoppelt sein, an den Schülerverkehr, sondern sich orientieren an der Teilhabe des sozialen Lebens. Unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht möglich, von den Dörfern aus am sozialen Leben in Havelberg teilzunehmen. Der öffentliche Nahverkehr existiert nicht mehr nach 18:00 Uhr. Die Dörfer sind dann nicht mehr erreichbar mit dem ÖPNV.
Für Veranstaltungen in der Stadt Havelberg sollte die Stadt zusammen mit den Veranstaltern die Möglichkeit offerieren, diese auch dann zu erreichen, wenn man nicht im Besitz eines PKWs ist. Denkbar ist, dass die Stadt eine Plattform vorhält, auf der Mitfahrgelegenheiten für soziale Veranstaltung vermittelt werden können.
Die Fixierung oder Orientierung des Nahverkehrs auf den Schülerverkehr verhindert einen flexiblen und nachfrageorientierten öffentlichen Nahverkehr. Ebenso wäre zu überlegen, ob nicht eine Entzerrung der Öffnungszeiten an den Schulen die Kosten des Schülertransportes erheblich reduzieren würde und diese Einsparungen sollten für einen „individualisierten“ Nahverkehr genutzt werden.
Ähnliches lässt sich für den Anschluss nach Glöwen sagen. Hier ist es nicht mehr möglich, nach 20:00 Uhr mit dem öffentlichen Nahverkehr nach Havelberg zu kommen. Ebenso ärgerlich ist es, dass die Linie 900 strikt ihren Fahrplan einhält und nicht Verspätungen von Zügen aus Berlin oder Wittenberge berücksichtigt. So kann es dazu führen, das Wartezeiten von 2 Stunden an dem "äußerst gastlichen Bahnhof" in Glöwen entstehen (Dort wartet man nur einmal 2 Stunden danach nie wieder). Auch hier sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, die es ermöglichen, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, auch dann, wenn es Verspätungen von Seiten der Bahn gibt. Vielleicht etabliert sich in den nächsten Jahren ein System, welches garantiert, dass man von Glöwen nach Havelberg kommt, aber damit ist noch keineswegs gesagt, dass man auch die Dörfer erreicht.
Sollte die Erreichbarkeit der Stadt und Berlin nicht mehr gegeben sein, so stellt sich für den Dorfbewohner die Frage, warum er noch länger auf dem Dorf wohnen soll, wenn er abgeschnitten wird von sozialen Ereignissen, die in Havelberg und oder Berlin stattfinden. Dazu gehören Konzerte, Ausstellungen, politische Veranstaltungen, aber ebenso ein Restaurantbesuch, ein netter Kneipenabend. Also warum auf dem Dorf leben, wenn ich von dort nicht mehr wegkomme bzw. nicht mehr hinkomme.
Dieses Dilemma verdeutlicht, dass ein öffentlicher Nahverkehr, der nicht die Möglichkeiten und Kapazitäten der Mitbürger berücksichtigt zum Scheitern verurteilt ist, da die Kosten wahrscheinlich sehr hoch sind, vor allem aber die Interessen der Dorfbewohner nicht erfasst.
Es stellt sich die Frage, warum nicht Initiativen unterstützt werden, die private Mitfahrmöglichkeiten offerieren. Die Fixierung auf einen öffentlich finanzierten und organisierten Nahverkehr muss durchbrochen werden und der Blick sollte gelenkt werden auf einen Mix aus öffentlichen und privaten „Mit-Nahme-Verkehr".