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Bildung in der Tradition des Preußischen Schulwesens

 

Von außen betrachtet ist das Angebot an Bildungseinrichtungen in Havelberg sehr gut. Alle Schulformen des 3-gliedrigen Schulsystems sind vorhanden. Ergänzt wird dieses System durch das SITI, der Musikschule, Veranstaltung der Volkshochschule und nicht zu vergessen die Einrichtungen aus dem Bereich des SGB II.

Ebenso kann davon ausgegangen werden, dass die Kindergärten im Rahmen ihrer Arbeit den Bereich der vorschulischen Erziehung abdecken.

Alle Schulformen sind in Havelberg vorhanden, sogar Förderung nach dem SGB II sind möglich, auch eine Förderschule ist vorhanden, dennoch ist dieses Angebot aus meiner Sicht äußerst fragil.

Die Grundschule in Havelberg hat einen größeren Sanierungsbedarf, der bislang nicht in dem Umfang realisiert werden konnte, wie es notwendig ist, um den Bildungsanforderungen im Zeitalter der Digitalisierung gerecht zu werden. Ähnliches lässt sich für die Sekundarschule sagen, das Gymnasium ist hiervon nicht ausgenommen werden.

 

Diese Defizite machen sich schon im Bereich der Architektur bemerkbar. Es wird in Gebäuden unterrichtet, die ihrem Grundriss nach dem preußischen Schulsystem entspringen. Flexible Raumkonzepte, multifunktionale Nutzung von Räumen alles Fehlanzeige; Orientierung an einem lehrerzentrierten Unterrichtsgeschehen. Schulen mit einem eigenständigen Profil sucht man vergebens. Es wird unterrichtet nach dem Rahmenplan, Schwerpunktsetzungen innerhalb der Schulen erfolgen nicht.

Zwar wird gerne auf das Schülerinstitut und seine Erfolge verwiesen, aber hier handelt es sich um eine Einrichtung, die zwar eng mit den Schulen kooperiert und auch in deren Räumen angesiedelt ist, deren Arbeiten sich im Unterrichtsgeschehen nicht widerspiegeln. Weder gibt es gemeinsame Projekte mit den Schulen, noch gibt es langfristig angelegte Kooperationsvereinbarungen, bezogen auf bestimmte Bildungsinhalte. Im Grunde genommen kann man von einer friedlichen Koexistenz der beiden Einrichtungen sprechen. Damit keine Missverständnisse aufkommen: die Leistungen der Schülerinstitution sollen an keiner Stelle herabgewürdigt werden, ebenso wenig soll die Nutzung von Räumen in der Sekundarschule und des Gymnasiums als marginal beschrieben werden, aber ein Konzept, welches die Einrichtungen miteinander verzahnt ist dem Autor nicht bekannt.

 

Für das Gymnasium muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass es kein eigenständiges Gymnasium ist, sondern die Außenstelle des Gymnasiums in Tangermünde. Es muss die Frage gestellt werden, ob ein Gymnasium eine angemessene Antwort für die Bildungsvoraussetzungen auf dem Lande darstellt. Dieses liegt zwar nicht in der Verantwortung der Stadt Havelberg, aber es sollte eine Diskussion geführt werden, die das Problem der Chancengleichheit im Bildungssystem aufgreift und sich mit der Frage auseinandersetzt, ob die vorhandenen Strukturen nicht besser im Rahmen eines Gesamtschulkonzeptes genutzt werden könnten.

 

Die Stadt Havelberg hat sich darauf festgelegt, die alte Sekundarschule zu sanieren und diese später für den Schulbetrieb zu nutzen. An dieser Stelle sei nur darauf hingewiesen, dass die Grundstruktur der Schule, die im Jahre 1956 eingeweiht wurde, nicht mehr den baulichen Anforderungen an eine Schule des 21. Jahrhunderts entspricht. Hier werden Mittel gebunden, die aus der Sicht des Autors besser verwendet werden könnten für einen Neubau, der die Möglichkeiten einer multifunktionalen Nutzung der Räumlichkeiten ermöglicht.

 

Auch wenn die Stadt Havelberg einen geringen Einfluss auf die Zusammensetzung des Lehrerkollegiums hat, so muss festgestellt werden, dass eine deutliche Überalterung in der Lehrerschaft vorhanden ist. Somit stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, junge und engagierte Lehrer für Havelberg zu gewinnen. Ein Schulneubau, der den Ansprüchen eines Unterrichts im digitalen Zeitalter entspricht, wäre bestimmt von Vorteil. Als ein Nachteil würde bestimmt auch nicht eine gute Anbindung an die Metropolen Berlin oder Hamburg wahrgenommen werden.

 

In der Stadt Havelberg gibt es bislang keine Antwort darauf, wie auf die private Konkurrenz im Bildungssektor reagiert werden soll. So gibt es ein Privatgymnasium in Tangermünde und Stendal, welches auch von Schülern aus Havelberg, trotz langer Fahrzeiten, besucht wird. Im Bereich der Grundschule gibt es eine Privatschule nach dem Montessori in der Nachbargemeinde Kamern. Die Schule hat einen großen Zulauf hatte. Unter dem Aspekt der geringen Schülerzahlen bedeutet der Aufschwung der Privatschulen, dass die Schülerzahlen an den öffentlichen Schulen zurückgehen, Schulschließungen nicht ausgeschlossen werden können, vor allem dann, wenn an einem dreigliedrigen Schulsystem festgehalten wird.

 

Nun stellt sich für die Stadt Havelberg nicht unbedingt die Frage der beruflichen Weiterbildung, da das Durchschnittsalter seiner Bewohner über 50 Jahre liegt, aber der Aufbau von Bildungsmöglichkeiten für ältere Mitbürger darf nicht vernachlässigt werden, nicht nur allein aus psychosozialen Gründen, sondern dieses muss als Standortfaktor betrachtet werden. Ältere Mitbürger, die die Stadt verlassen, sind nicht diejenigen, die auf die Transferleistung des Sozialsystems angewiesen sind, sondern haben einen höheren Bildungsabschluss und eine entsprechend bessere Altersvorsorge. Der Verlust dieser Bevölkerungsgruppe kann durch attraktive Bildungsangebote ein Stück entgegengewirkt werden. Wenn ein attraktives Bildungsangebot vorhanden ist, ist es möglich, dass Zuzug generiert wird.

 

An dieser Stelle sei der Hinweis erlaubt, dass Schule in einem immer stärkerem Maße Erziehungsaufgaben wahrnehmen muss, da die Eltern nicht in der Lage sind, diese wahrzunehmen bzw. nicht wahrnehmen wollen. Für den Bereich der Schule bedeutet dies, dass eine stärkere Zusammenarbeit mit den außerschulischen Einrichtungen und der vorschulischen Erziehung erfolgen muss. Inwieweit diese Strukturen vorhanden sind kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden, aber sie werden bislang nicht öffentlich diskutiert und/oder thematisiert.

 

Für den Standort Havelberg bietet es sich geradezu an, einen Schwerpunkt im Bereich des Wassersports zu setzen. Es ist vorstellbar, Bildungsangebote im Bereich des Wassersports zu etablieren. Hierzu ist es allerdings notwendig, dass die Sportvereine daran mitwirken. Diese Schwerpunktsetzung könnte sowohl mit dem öffentlichen Schulsystem erfolgen, aber auch auf der Ebene der Sportvereine. Denkbar sind auch Kooperationsvereinbarungen mit Universitäten im Bereich der Sportwissenschaft und/oder Trainingswissenschaft.

Herbert Dierkes
Reference No.: 2021-03892
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