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Tourismus als Makler

Kuhlhausen

Tourismus Tourismus was ist das eigentlich? Landläufig wird darunter verstanden, dass Menschen eine bestimmte Gegend aufsuchen, dort einige Tage verweilen, wobei nicht gesichert ist, was sie dort tun und sie sollen Geld ausgeben. Dann hören in der Regel auch schon die Gemeinsamkeiten auf. Meines Erachtens besteht das größte Manko der Tourismusentwicklung in Havelberg und Umgebung darin, dass es kein Konzept darüber gibt, welchen Tourismus die hier lebenden Menschen bereit sind zu unterstützen, mitzutragen, weiterzuentwickeln. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch den Verantwortlichen und in der Touristeninformation nicht klar ist, welches Konzept von Tourismus sie wünschen. Die Vorstellungen reichen vom Tagestourismus über den Familienurlaub bis hin zum Erlebnisurlaub. Ob es ein sanfter Tourismus sein soll, was auch immer sich dahinter verbergen mag, ist nicht klar, findet aber wahrscheinlich eine große Zustimmung.

Der Tourismus wird im Kontext der Wirtschaftspolitik immer wieder als eine mögliche tragende Säule für die heimische Wirtschaft genannt. Der Autor ist nicht sicher, ob diejenigen, die diese These vertreten, eine Vorstellung davon haben, wie viel Geld Tagesausflügler bzw. Radfahrer an einem Tag in Havelberg oder einem anderen Ort in der Region lassen. Kurze Information: für eine organisierte Fahrt (Tagesausflügler) geben die Menschen im Schnitt ca. 25 € (Wert aus 2013) aus, davon entfallen ca. € 10 auf die Gastronomie. Der Radfahrer gibt ca 16 € aus, ohne Übernachtung, auch entfällt auf die Gastronomie ein Anteil von € 10. Die Übernachtungskosten für den Fahrradtourismus werden mit ca. 30 € pro Tag angegeben. Da es sich hier um recht alte Zahlen handelt, müssten sie entsprechend der Lohnsteigerungen und der Inflationsentwicklung hochgerechnet werden.

Auffallend ist, dass ohne eine gastronomische Infrastruktur kein Tourismus sich entwickeln wird bzw. aufgebaut werden kann. Beide Gruppen geben für den Bereich der Gastronomie den größten Teil ihrer „Urlaubskosten“ aus. Bei den Fahrradtouristen ist in den letzten Jahren allerdings der Trend zu beobachten, dass auch Übernachtungen angenommen werden, die sich weit oberhalb der genannten 30 € bewegen.

Entscheidend ist somit der Ausbau und die Weiterentwicklung einer leistungsfähigen Gastronomie, die sich auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Touristen einstellen kann. Aus der Sicht des Schreibers ist hier noch „viel Luft nach oben“. Nicht nur das Manko der gastronomischen Infrastruktur kann sich schnell als Hindernis für einen weiteren Ausbau bzw. Aufbau einer touristischen Infrastruktur erweisen, sondern ebenso gravierend ist der Mangel an qualifizierten Fachpersonal in der Gastronomie bzw. Hotellerie. Insofern ist der Ausbau einer „Tourismusindustrie“ in Havelberg und Umgebung mit einer gewissen Skepsis zu betrachten. Will man Tourismus, so sollte man einen Tourismus anstreben, der aus der Sicht des Autors weniger die Steigerung von Übernachtungszahlen zum Ziel hat, als vielmehr positive Effekte zu generieren, die die Menschen längerfristig an die Region zu binden. Wesentlich erscheint hier, dass mit den Anwachsen des Bekanntheitsgrades der Region um Havelberg auch das Interesse geweckt wird, vor allem für Menschen aus Ballungszentren wie Hamburg und Berlin, sich hier ein Wochenendhaus/Wohnung anzuschaffen. Dieser Effekt kann auch als eine Form von Tourismus betrachtet werden, da der Lebensmittelpunkt dieser Menschen nicht in Havelberg ist, sondern in den Metropolen und die Wochenendhäuser/Wohnungen ihre Bedeutung aus der Ruhe des Raumes/der Natur gewinnen. Unstrittig dürfte wohl sein, dass Wochenendhäuser einen nachhaltigen Wirtschaftskreislauf befördern, als ein Tourismus der wechselnden Moden unterworfen ist. Es wird Leerstand in der Stadt und auf den Dörfern vermieden, Handwerker im Bereich des Facility Management haben Aufträge, bei verbesserter Infrastruktur im digitalen Bereich wird es Zuzüge geben, die sowohl den Dörfern als auch der Stadt selbst zugutekommen.

Durch die Vermeidung von Leerstand auf den Dörfern und in der Stadt(-insel) kann sich eine Infrastruktur entwickeln, die dann auch einem Tourismus zugutekommt, den man mit den Begriffen naturnaher oder sanfter Tourismus umschreiben kann. Zentral wird es hier sein, die vorhandene Kulturlandschaft als Erfahrungsraum zur Verfügung zu stellen. Dies bedeutet keineswegs "jeder kann und darf überall in der Landschaft herumtrampeln", sondern das Augenmerk darauf liegt, die Kulturlandschaft weiterzuentwickeln und zu schützen und auch als Bildungs- und Erfahrungsraum zu nutzen.

Havelberg sollte Abschied nehmen von einem Tourismus, der sich in Konkurrenz setzt mit Regionen, die eine bessere Infrastruktur, eine höhere Bevölkerungsdichte und einen höheren Bekanntheitsgrad haben. Tourismus sollte Entwicklung der Region sein und kein Besuchsmagnet.

Herbert Dierkes
Reference No.: 2021-03915
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