Kultur erzeugt Öffentlichkeit
Als öffentlicher Raum wird in der Stadt der Raum bezeichnet, der sich aus einer öffentlichen Verkehrs- oder Grünfläche und den angrenzenden privaten oder öffentlichen Gebäuden ergibt. Die Lebensqualität innerhalb einer Stadt ergibt sich aus der Dialogfähigkeit von privatem und öffentlichem Raum und den damit verbundenen Interessen. Öffentlicher Raum in seiner Fläche gehört einer Gemeinde oder Körperschaft des öffentlichen Rechts und sollte der Öffentlichkeit frei zugänglich sein. Er wird von der Gemeinde bewirtschaftet und unterhalten. Im allgemeinen fallen öffentliche Verkehrsflächen für Fußgänger, Fahrrad- und Kraftfahrzeugverkehr, aber auch Parkanlagen und Platzanlagen darunter. Gemeinschaftseigentum und somit öffentliche Räume sind auch gemeinschaftlich genutzte Flächen wie Allmenden oder Commons im ländlichen Raum.
Unter dem Begriff „Essbare Stadt“ versteht man die Bepflanzung öffentlicher Räume, die nicht als Verkehrsflächen genutzt werden oder sonst funktionslos sind, mit Pflanzen, die sich essen lassen, z.B. Kräuterbeete, Spalierobstbäume, Beerensträucher und Weinreben. Idee ist die ungenutzten Flächen in urbane Allmenden zu verwandeln und sie von den Bürgern selbst bewirtschaften zu lassen. Wichtig ist hierbei die Umwandlung von unnötigen Verkehrsflächen in Grünflächen sowie die Beruhigung und Verlangsamung von Verkehr durch zusätzliche grüne Barrieren. Auf die nahezu vollständig versiegelte Stadtinsel Havelberg angewendet bedeutet das, dass die noch zur Verfügung stehenden Grünflächen dauerhaft erhalten bleiben müssen. Wo immer möglich, z. B. auf dem Gelände des Elch, sollten öffentliche Grünflächen entstehen. Jetzt schon nicht mehr benutzte Parkplätze sollten entsiegelt werden. Insbesondere im Umfeld der St. Laurentius Kirche sollten die Brandwände wo möglich in Hanging Gardens umgewandelt werden. Durch die vorgeschlagenen Maßnahmen würden wesentliche Ziele im Sinne der Förderrichtlinien bezüglich Nachhaltigkeit, Gesundheit und Klimaschutz erreicht. Die Lebensqualität auf der Stadtinsel würde wesentlich verbessert. Eine konsequente Umsetzung hat zudem eine touristische Attraktivität zur Folge, die die Verweildauer von Touristen maßgeblich erhöht. Gelingt es, dies mit der notwendigen Konsequenz durchzusetzen, wird dadurch allein eine touristische Sehenswürdigkeit geschaffen.
Der öffentliche Raum muss wieder zum Schauplatz des öffentlichen Lebens werden. Hier spielen die in der Erhebung unberücksichtigte Kultur und das soziale Leben eine wichtige Rolle, um den öffentlichen Raum zum Begegnungs-, Kultur- und weitestgehend sozialen Raum zu machen.
Kultur bezeichnet die verschiedenen bildenden, darstellenden und angewandten Künste. Diese Künste brauchen öffentliche und private Räume, z.B. als Ausstellungs- und Produktionsorte, die von Vereinen, Genossenschaften oder Privatpersonen unterhalten und betrieben werden können. Formate wie der Sommercampus oder öffentliche Masterclasses sind sehr geeignet. So entstehen attraktive Vermarktungsmöglichkeiten für Kulturschaffende und Kulturreisende. Ausstellungen, Konzerte, Theaterperformances sowie Kunsthandwerksmärkte und -messen sorgen für überregionale Aufmerksamkeit. Ihre Protagonisten kommen gleichermaßen aus Berlin, Hamburg, Magdeburg und Halle, aus Schwerin und Potsdam, was zu einem langfristigen und nachhaltigen Public Relation (PR) Effekt für Havelberger, Touristen und generell Interessierte führt. Kultur erzeugt Öffentlichkeit! Die Kirche St. Laurentius wäre eine sehr geeignete Kunst und Konzerthalle, die gleichermaßen für saisonale Märkte mit Kunsthandwerk oder Lebensmitteln geeignet wäre. Die Flächen um die Kirche könnten anlassbezogen mit eingeplant werden.
Daneben sollte es Orte geben an denen sich Bürger treffen und Informationen und Erfahrungen austauschen können. Orte an denen sich ältere Menschen zum Café oder zum Spielen treffen und sich in die so geschaffene Öffentlichkeit einbringen können - soziales Miteinander erzeugt Öffentlichkeit! Hierzu gehören Orte wie die Volkssolidarität in der Oberstadt. Genauso sollte es einen Bürgertreff auf der Stadtinsel geben, in dem sich Havelberger, Neu-Havelberger und Gäste zum Informations- und Erfahrungsaustausch treffen können, indem es Angebote für Bildung und Kultur geben und der durch Gäste belebt werden kann. Wo? Selbstverständlich bieten sich Gebäude wie der Elch an. Dieses Gebäude könnte als kommunales Stadthaus unterschiedlichste Aufgaben erfüllen.
Und schließlich die eigene Geschichte. Der Stadt fehlen die Narrative. Geschichten zu den Häusern, Plätzen und Personen sollten über Apps, QR Codes und Schilder erzählt und erklärt werden, ähnlich wie am Beguinenhaus, Geschichten von Frau Harke, über den 30-jährigen Krieg, über die Werften der Preussen, über die Selbstversorgergärten, über die Domkurie und ihre Veräußerung und eine der ersten Gartenstädte der Geschichte auf dem Berg; zu historischen Zeitzeugen wie Louis Jacoby und lebenden Zeitzeugen wie Christoph Hein. Ein Literaturhaus mit seinem Namen wäre schön.
Kultur erzeugt Öffentlichkeit, soziales Miteinander und Geschichten erzeugen Partizipation an der Öffentlichkeit, Begegnungen auf Märkten, Festen oder anderen Veranstaltungen auf der Stadtinsel erzeugen Öffentlichkeit! Dies führt zu einem Umdenken vom passiven zum aktiven Bürger und dann hoffentlich auch endlich zu einem Umlenken der Kommune, um dem Bedürfnis nach Öffentlichkeit zu entsprechen.
Wolf Guenter Thiel (Old School ICA) & Dr. Gerald Walter (Hayati e.V.)