textbeispiel
Man kann also sagen, dass durch die Form der Person auf beiden Seiten Dif-ferenzmanagement betrieben wird. Die je spezifische Art und Weise, wie die un-terschiedlichen Anforderungen gemanagt werden, lässt sich dann als Individuali-tät bezeichnen. Nicht nur das psychische, auch das soziale System ist auf die Se-mantik und die Grundrechte für Individualität angewiesen. Denn damit verhindertes, dass die Funktionssysteme den Einzelnen determinieren kann –Semantik undGrundrechte bilden also eine funktionale Sperre gegen den Universalitätsanspruchder Funktionssysteme.108 Sie bewahren die Autonomie der psychischen Systeme.Auch hier wird deutlich, dass Luhmanns normative Basis Autonomie und Dif-ferenz sind. Er richtete sich dabei aber auf epistemologischer Grundlage gegen die»humanistischen Erblasten«109 der alteuropäischen Tradition, für die die Subjekt-philosophie der Aufklärung nochmal ein »Rettungsprogramm«110 installiert hatte,das den Menschen zum Subjekt aller Dinge machte. In einer wissenssoziologischenWende dechiffrierte Luhmann dieses ›Rettungsprogramm‹ als eine Philosophie, dieder politische Liberalismus nachträglich entworfen habe, um »die semantische Fi-gur des seine Interessen, Gefühle, Ziele usw. selbst validierenden Individuums«gegen »die alten Ordnungen der Stände und ihrer Klientelverhältnisse, der Häuserund Höfe, der Kirchen und Sekten« ins Felde zu führen.111 Doch die »Denkvor-aussetzung« dieses liberalen Projekts fand Luhmann »heute schlechterdings un-akzeptabel«.112 Seine Lösung bestand aber nicht darin, sie gänzlich aufzugeben,sondern zentrale Begriffe des humanistischen Subjektdenkens wie Bewusstsein,Gewissen, Persönlichkeit, Individuum reflexiv und differenztheoretisch zu refor-mulieren. Dadurch werden die Vorstellungen denaturalisiert und als kontingenteEffekte von Systembildung präsentiert.