Stellungnahme ENERTRAG SE
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit möchten wir als Projektentwickler und Betreiber von Wind- und Solarfeldern zu Ihrem „Konzept für die räumliche Steuerung von Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen (PVAFF) der Stadt Winsen (Luhe) und ihrer Ortsteile“ Stellungnehmen.
Bezug: 3.4.1 Erster Planungsschritt: Vorauswahl der Eignungsflächen
Die Konzentration auf Gebiete innerhalb der durch § 35 Abs. 1 Nr. 8 b) BauGB bauplanungsrechtlich privilegierten 200m-Korridore wird in Absatz 5 des Konzepts „inhaltlich im Wesentlichen [durch] die akustischen Vorbelastungen und die Barrierewirkungen für Naherholungssuchende und Anwohner entlang der vorgenannten Hauptverkehrstrassen“ (vgl. Stadt Winsen (Luhe), S. 11) begründet.
Die Barrierewirkung für die Naherholung kann jedoch auch für Flächen innerhalb des im EEG unter §37 Abs. 1 Nr. 2 c) festgelegten 500m-Korridors angenommen werden. Eine Begründung warum diese nur innerhalb des 200m-Korridors wirken soll wird von der Stadt in Ihrem Konzept nicht nachvollziehbar dargelegt.
Die weitere Begründung, dass innerhalb dieser Flächen bereits Eignungsflächen in Höhe von rund 70 ha vorhanden sind, lässt keinen pauschalen Ausschluss anderer nach dem Konzept grundsätzlich geeigneter Gebiete zu. Eine so frühzeitige Festlegung auf bestimmte Gebiete vor dem Hintergrund, dass die landwirtschaftlichen Flächen innerhalb des Stadtgebietes als benachteiligte Gebiete i. S. d. § 37 c Abs. 2 EEG 2023 i. V. mit § 3 Nr. 7 gelten und somit ebenfalls EEG vergütungsfähig sind, wird in Ihrem Konzept nicht ausreichend begründet.
Bezug: 3.4.2. Zweiter Planungsschritt: Ausschlusskriterien und Flächenbilanz
Unter 3.2.4 werden „landwirtschaftlich genutzte Flächen mit einem Bodenertrag, der gemäß städtischer Auslegung der landesplanerischen Vorgaben für die Auswahl von Landwirtschaftsflächen für PV-Anlagen zum obersten viertel aller im Stadtgebiet zählenden Flächen dieser Kategorie gehören“ (vgl. Stadt Winsen (Luhe), S. 12) und über 33 Bodenpunkten liegen, pauschal ausgeschlossen. Dieser Wert wiederspricht dem in der Novelle des Niedersächsischen Klimaschutzgesetzes vom 11.12.2023 beschlossenen Höchstwert von über 50 Bodenpunkten. Wobei dieser Wert eine „Soll Vorschrift“ darstellt und somit auch die Möglichkeit eröffnet, Flächen die über der Grenze von 50 Bodenpunkten liegen, für eine Bebauung mit einer PVFFA freizugeben.
Im Sinne der Gleichbehandlung der Grundeigentümer stellt eine Beschränkung auf die im § 35 BauGB festgelegten privilegierten Flächen daher einen nicht nachvollziehbaren Eingriff in das Eigentumsrecht dar, der von der Stadt in Ihrem Konzept nicht ausreichend begründet dargelegt ist. Ein Ausschluss von Flächen die über 33 Punkten liegen, kann zudem im Einzelfall dazu führen, das Restflächen übrig bleiben, die im ungünstigen Fall für sich genommen nicht mehr selbständig wirtschaftlich genutzt werden können. Eine Teilung von Flächen soll daher nach Punkt 3.4.3.1 des Konzeptes der Stadt vermieden werden, in dem ausnahmsweise zur Arrondierung eine räumlich erweiterte Nutzung dieser Flächen für PV-Anlagen erfolgen kann. Dies begrüßen wir ausdrücklich.
Bezug: 3.4.2.3. Städtebauliche Absichten der Stadt
Gemäß den unter dem Punkt 3.4.2.3 von der Stadt festgelegten Kriterien gegenüber einer möglichen Ansiedlung einer PVAFF sollen u.a.
Abstandsflächen
-
- von 300 m zu Wohnbauflächen und gemischten Bauflächen sowie
- 500 m zu Gewerbeflächen
Die Ortsentwicklung soll nicht durch entstehende Solarparks eingeschränkt werden.
Ein geringerer Abstand zu Wohn- oder Gewerbeflächen kann im Einzelfall erwogen
werden, sofern ein weiteres Siedlungswachstum durch spezifische Ortsgegebenheiten
wie bspw. Gewässer oder Schienenwege ausgeschlossen ist.
Abstandsflächen von 50 m zu Wohnsiedlungen im Außenbereich Wohnsiedlungen im Außenbereich (Siedlungssplitter) unterliegen planungsrechtlich einem geringeren Schutz als im Innenbereich. Der oben angegebene Abstand wird festgelegt, um diese vor Sichteinschränkungen, die durch PVAFF verursacht werden können, zu schützen“ (vgl. Stadt Winsen (Luhe), S. 12).
Eine Einschränkung der Ortsentwicklung durch die Errichtung einer PVAFF kann auch bei einer Ausweisung von PVFFA innerhalb des 500 m-Korridor oder auf anderen landwirtschaftlichen Flächen ausgeschlossen werden. Die Beeinträchtigung von Sichtbeziehungen kann darüber hinaus durch die im Konzept unter 3.4.3.2 vorgesehene 10 m breite Eingrünung ausgeschlossen werden. Eine pauschale Begrenzung auf gemäß § 35 BauGB privilegierte Flächen ist daher aus unserer Sicht nicht notwendig und wird in Ihrem Konzept nicht ausreichend begründet dargelegt.
Bezug: 3.4.2.4 Flächenbilanz der Ausschlusswirkungen und Schlussfolgerungen
Unter 3.4.2.4 stellt die Stadt in Ihrem Konzept fest, dass mit der Theoretischen Ausweisung von ca. 70 ha Potentialflächen für PVAFF das landespolitisch vorgegebene Ziel bereits übererfüllt ist. Daraus schlussfolgert die Stadt, dass für alle Flächen außerhalb der beidseitigen 200m-Korridore mit hierfür privilegiertem Baurecht eine weitere Nutzung für PVAFF in Winsen (Luhe) dem Grundsatz nach auszuschließen ist.
Hiergegen spricht jedoch, dass zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Konzeptes nicht klar ist, ob die von der Stadt identifizierten Flächen auch für die Nutzung mit einer PVAFF von den Eigentümern zur Verfügung gestellt werden. Zudem können weitere Aspekte wie ein unwirtschaftlicher Einspeisepunkt oder eine negative Stellungnahme der landwirtschaftlichen Fachbehörde zur agrarstrukturellen Verträglichkeit der PV Anlage dazu führen, dass die von der Stadt identifizierten Flächen nicht entwickelt werden können. Gleichzeitig werden durch den pauschalen Ausschluss nicht privilegierter Flächen potentiell besser geeignete Flächen ohne eine flächenbezogene Prüfung pauschal ausgeschlossen.
Freiflächenphotovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen
Die Errichtung von Freiflächenphotovoltaikanalgen (FF-PVA) auf landwirtschaftlich genutzten Flächen unterliegt immer dem Zielkonflikt zwischen der Erzeugung erneuerbarer Energien und der Sicherung der Nahrungsmittelproduktion. Gleichzeitig kann die Errichtung von PVFFA bei einer naturverträglichen Ausgestaltung einen deutlich positiven Effekt auf die Artenvielfalt, insbesondere in monokulturellen landwirtschaftlichen Gebieten, haben. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit, die in der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt geforderte Nutzung von Synergieeffekten zwischen der Erhaltung der biologischen Vielfalt und der Gewinnung erneuerbarer Energien praktisch zu realisieren.
Im Folgenden stellen wir daher anhand der Ergebnisse des BNE im Rahmen der Studie „Solarparks – Gewinne für die Biodiversität“ kurz die positiven Effekte dar, die sich im Rahmen einer Nutzungsänderung durch die Errichtung einer FF-PVA auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ergeben können. Hierbei kann zwischen den positiven Effekten einer PVFFA auf die Biodiversität sowie auf den Boden unterschieden werden.
Artenreiches Grünland
Auf Grünlandflächen, die zur Futtermittelerzeugung genutzt werden, kann die zur Maximierung der Heuerträge häufig frühe Mahd verschoben werden. Hierdurch bleibt das Grünland artenreicher und nachhaltiger.
Schafbeweidung
Gleichzeitig ist eine Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit von FF-PVA die Verhinderung von Beschattung durch den Pflanzenaufwuchs. Dies kann durch eine ein- bis zweimalige Mahd im Jahr oder ergänzend auch durch eine Schafbeweidung gewährleistet werden. Neben der zusätzlichen Landwirtschaftlichen Nutzung der PV-FFA stellt die Schafbeweidung auch aus der Sicht des Naturschutzes eine geeignete Nutzung dar. Durch den Tritt der Schafe entstehen Lücken im Boden, wo sich neue Arten ansiedeln können. Vor allem konkurrenzschwache Arten profitieren davon. Insbesondere wenn diese kurzlebig sind und sich durch Samen vermehren. Einen weiteren Vorteil bietet die Schafbeweidung, indem die Schafe von vorher beweideten Flächen verschiedene Tier- und Pflanzarten auf die Fläche bringen, wo sich die FF-PVA befindet. Hierdurch kann die Artenvielfalt erhöht werden. Die Beweidung hat daher einen positiven Einfluss auf die Biodiversität.
Steigerung der Artenvielfalt
Der BNE konnte zudem anhand mehrerer untersuchter FF-PVA nachweisen, dass die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für FF-PVA dafür sorgt, dass die Artenvielfalt sowie die Diversität der Insekten auf diesen Flächen steigen. Darüber hinaus bieten FF-PVA stabile Lebensräume für seltene bzw. vom Aussterben bedrohte Insekten und Pflanzenarten. Damit können FF-PVA eine wesentliche Rolle gegen das Sterben der Tierarten von Insekten, Reptilien und Brutvögeln einnehmen.
Steigerung der Populationsdichte
Die Abstände der Modulreihen zueinander haben erheblichen Einfluss auf die Individuenzahl und auf die erreichten Populationsdichten. Besonnte Streifen von drei Metern und mehr führen zu einem massiven Bestandsanstieg, schmalere Reihenabstände zu geringen Populationsgrößen.
Steigerung der Individuen Dichte
Die Studie des BNE hat zudem gezeigt, dass innerhalb der FF-PVA sehr hohe Individuen dichten erreicht werden können, was zur Folge hat, dass Tiere abwandern und andere Lebensräume besiedeln. Damit können FF-PVA sogenannte Quellhabitate sein.
Neben der Vielzahl an Vorteilen, die sich auf die Biodiversität beziehen, ergeben sich zusätzliche Vorteile für den Boden. Denn durch eine Nutzung der Flächen durch FF-PVA ermöglicht man eine natürliche Regeneration des Bodens.
Verzicht auf Dünger
Bei der Bewirtschaftung der FF-PVA müssen weder Mineraldünger, Gülle noch Pestizide eingesetzt werden. Hierdurch gelangen weniger Schadstoffe in den Boden und in das Grundwasser.
Aufbau einer Humusschicht
Der BNE vergleicht hier in seiner Studie die Auswirkungen von Mais-Anbau mit der Nutzung der Flächen für FF-PVA. Beim Anbau von Mais stellen Bodenerosionen ein erhebliches Problem dar. In der Folge kann dies zu Bodenverlust führen. Durch eine Nutzung der Flächen von FF-PVA anstatt einer Nutzung für den Ackerbau kann ein Beitrag dazu geleistet werden, dass sich der Boden erholen kann. Durch diese Umnutzung von reinen Ackerbauflächen zu Flächen für FF-PVA wird ein erneuter Humusaufbau ermöglicht.
Speichern von Kohlenstoff im Boden
Der Humus wiederum spielt eine wichtige Rolle für die Kohlenstoffspeicherung. Somit kann dies im weiteren Sinne dazu beitragen, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre gesenkt wird. Somit leistet die Nutzung von FF-PVA nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz durch die Erzeugung von grünem Strom, sondern auch dadurch, dass der Boden wieder dazu in der Lage ist, schädliche Emissionen aufzunehmen und einen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität zu leisten. Aus Untersuchungen geht hervor, dass Böden unter Dauergrünland höhere Humusvorräte haben, als Böden unter Ackernutzung.
Stromerzeugung durch PV ist effizienter als Nutzung von Biogas
Darüber hinaus ist es so, dass eine Nutzung von Flächen für FF-PVA auch insbesondere durch den Aspekt der Effizienz sinnvoll ist. Zum Vergleich: Die technische Nutzung von Solarstrahlung kann ein bis zu zwei Größenordnungen höhere flächenspezifische Erträge liefern, als eine energetische Nutzung von Biomasse. Diese Differenz ist nicht unerheblich. Derzeit werden 0,9 Millionen Hektar für den Anbau von Mais zur Erzeugung von Biogas genutzt. Daraus lässt sich schließen, dass viele Flächen für eine Umnutzung berücksichtigt werden sollten, um die Effizienz in der Energieproduktion zu steigern.
Nur 1 % der Fläche eines Solarparks ist versiegelt
Ein häufig verwendetes Argument gegen eine Nutzung von Flächen für FF-PVA ist der Aspekt der Versieglung. Grundsätzlich ist es aber so, dass durch Gestelle, Trafos und Nebenanlagen eines Solarparks nur 1 % der Gesamtfläche versiegelt werden.
Fazit:
Wir können den Wunsch der Stadt Winsen (Luhe) nach einer räumlichen Steuerung der Ansiedlung neuer PVFFA im Stadtgebiet grundsätzlich nachvollziehen. Dennoch möchten wir Sie mit unser Stellungnahme darauf aufmerksam machen, dass die in Ihrem Konzept vorgesehene pauschale Festlegung der Stadt auf die im Konzept enthaltenden Potentialflächen dazu führen kann, das das Ziel einer Ausweisung von 50 ha bzw. 70 ha für PVAFF bis 2032 nicht erreicht wird. Zudem können FFPVA insbesondere in überwiegend intensiv landwirtschaftlich geprägten Gebieten nicht nur der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen dienen, sondern wirken sich wie dargelegt auch positiv auf die Artenvielfalt und somit indirekt auch auf die Landwirtschaft aus.
Wir sind daher der Ansicht, dass die Stadt in Ihrem Konzept weitere Kriterien darlegen muss, die einen Ausschluss der nach dem EEG potentiell geeigneten Flächen weitergehend begründet.
Mit freundlichen Grüßen
Reimar von Wachholtz Markus Fenselau
(Regionalleiter, GE Entwicklung Wind & PV) (Projektleiter, GE Entwicklung Wind & PV)